„Rolle vorwärts: Herausforderungen für Familienunternehmen im Mittelstand“ in Speyer

Veranstaltung gibt Gelegenheit zum Austausch und stellt Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen vor

Speyer, 14. September 2022. Auf globaler Ebene prägen Großkonzerne und Kapitalgesellschaften das Bild der Weltwirtschaft. Zoomt man jedoch auf der Weltkarte in Deutschland hinein, stellt man fest, dass das ökonomische Bild hier ein anderes ist. In der Bundesrepublik und in Rheinland-Pfalz befinden sich 90 Prozent der Unternehmen zumindest mehrheitlich in Familienhand, die zugleich die Leitung innehat. Viele der Familienunternehmen stehen aktuell vor Herausforderungen: Der Fachkräftemangel oder die Regelung der Unternehmensnachfolge machen ihnen zu schaffen. Diesem wichtigen Thema widmete die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) deshalb gemeinsam mit den Volksbanken Raiffeisenbanken und dem Wirtschaftsministerium die Veranstaltung „Rolle vorwärts: Herausforderungen für Familienunternehmen im Mittelstand“ in Speyer.

Der Frage, welche Vorteile eine Unternehmensnachfolge gegenüber der Existenzgründung mit sich bringt, ging die Wirtschaftsstaatssekretärin Petra Dick-Walther in ihrem Talk nach. „Wir beobachten, dass 95 Prozent der übergebenen Unternehmen am Markt bleiben. Sie sind wirtschaftlich erfolgreich und bieten sichere und gute Arbeitsplätze“, stellte die Wirtschaftsstaatssekretärin heraus. „Wer ein Unternehmen übernimmt hat gewisse Startvorteile. Nicht selten kennt er den Betrieb, kann auf Fachwissen und exzellente Fachkräfte sowie etablierte Kundenverhältnisse zurückgreifen.“

Im Begrüßungstalk sensibilisierte Till Meßmer, Vorstandsmitglied bei der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz eG mit Sitz in Speyer, für eine möglichst frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmensnachfolge: „Nachfolgeplanung – egal, ob Vererbung, Schenkung oder Verkauf – ist ein komplexes Thema, das eine Vielzahl menschlicher, rechtlicher, steuerlicher sowie wirtschaftlicher Aspekte umfasst. Familienunternehmen sollten daher die Unternehmensnachfolge mit zeitlichem Weitblick planen und dann Schritt für Schritt angehen“, so Meßmer. Als Förderbank des Landes kooperiert die ISB eng mit den Hausbanken: „Familienunternehmen haben aufgrund ihrer Strukturen spezielle Anforderungen. Wir können sie an der Seite der Hausbanken mit Förderprogrammen, Krediten und Bürgschaften unterstützen, damit sie Marktchancen nicht verstreichen lassen müssen“, ergänzte ISB-Vorstandsmitglied Dr. Ulrich Link.

Bild: Schwerdt Fotografie, Wiesenbach
Bild: Schwerdt Fotografie, Wiesenbach

Anwesende Familienunternehmerinnen und -unternehmer und diejenigen, die ein Familienunternehmen übernehmen möchten, hatten an diesem Abend die Möglichkeit, sich wertvolle Tipps abzuholen sowie das notwendige Know-how für ihre zukünftigen Herausforderungen aufzubauen.

Vor allem auch zum Thema Finanzierung von Investitionen, die für Familienunternehmen aufgrund von speziellen Anforderungen nicht immer leicht ist, konnten Interessierte allerhand Informationen mitnehmen. Unternehmen, die ihren Erfolg im digitalen Zeitalter sichern und von intelligenten Prozessen profitieren wollen, müssen zu Beginn oft hohe Summen, beispielsweise in Entwicklung oder Betriebsmittel, investieren. Daher stellten Experten der ISB und der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank eG in einer Talkrunde anhand von Best-Practice-Beispielen passgenaue Finanzierungen und Förderprogramme vor.

Von dem langjährig erfahrenen und erfolgreichen Trigema-Inhaber und Geschäftsführer Wolfgang Grupp hörten die Anwesenden Einblicke aus der Praxis. In seiner informativen Keynote „Gegen den Trend: Produktionsstandort Deutschland“ bekräftigte er die Wichtigkeit unseres Landes als Produktionsstandort. Den Teilnehmenden gab er mit auf den Weg: „Gerade vor dem Hintergrund der Abhängigkeiten von Großunternehmen von der globalen Wirtschaft, müssen wir unsere mittelständischen Familienunternehmen stärken und so die heimische Industrie und die heimischen Produktionsstandorte schützen“.

Bild: Schwerdt Fotografie, Wiesenbach

Im Anschluss daran konnten sich die Gäste austauschen und weitere Informationen einholen.

Trigema-Chef in Speyer: Der Patriarch bietet eine Wette an

Wofgang Grupp, Chef des baden-württembergischen Textilherstellers Trigema, ist der Star beim Unternehmensforum der Investitions- und Strukturbank und der Speyerer VR Bank in der Domstadt. Die Teilnehmer hängen ihm an den Lippen. Manche denken auch: Wenn es nur so einfach wäre...

Der Ort der Veranstaltung im Individual Airside Hangar im Flughafen Speyer war durchaus symbolisch gewählt für eine Veranstaltung der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, dem Landeswirtschaftsministerium sowie der VR Bank Kur- und Rheinpfalz. Für viele Unternehmen geht es um Durchstarten oder Notlanden in diesen Zeiten. In Diskussionsrunden und Vorträgen sollte beleuchtet werden, welchen Herausforderungen sich Familienunternehmen und Mittelstand gegenübersehen.

Nachfolgeregelungen und Betriebsübernahmen, Fachkräftemangel, Digitalisierung waren ursprünglich als Themen im Fokus, aber die Entwicklung der Energiepreise durch den Ukrainekrieg ist drängender geworden. Ähnlich in den Hintergrund rückten auch Tagesordnungspunkte zu Nachfolge und Gründung sowie zu Fördermöglichkeiten für Familienunternehmen durch den Hauptvortrag von Trigema-Chef Wolfgang Grupp.

"Gegen den Trend"

Der Unternehmenspatriarch aus Burladingen (Trigema) ist neben seiner Textilproduktion vor allem für seine kontroversen Thesen bekannt. Sein Thema lautet "Gegen den Trend: Produktionsstandort Deutschland", was aber eher den losen Rahmen für die "Wolfgang-Grupp-Show" in der Domstadt liefert. Anekdotisch springend dreht sich der Vortrag primär um Grupps Meinung zur Wirtschaft und Politik sowie um seine Werte. Etwas überraschend für ein Textilfabrikanten, der stolz auf 80 Prozent Wertschöpfung am Produktionsstandort Deutschland verweist, sprich vom Garn bis zum T-Shirt alle Verarbeitungsschritte im Hause hat, ist der rote Faden in seinem Vortrag nicht immer klar zu erkennen. Am Ende bleibt hängen: Grupp ist Trigema und Trigema ist Grupp, der eingetragene Kaufmann ist voll haftender Geschäftsführer und Unternehmer. Er ist als Unternehmer demnach nicht nur Manager, sondern haftet selbst mit Kopf und Kragen für alles, was er tut.

In seiner Firma könne er jede Frage beantworten - und wenn ihm jemand eine stellt, die er nicht beantworten könne, würde er ihm den ganzen Laden schenken, bietet der 80-Jährige unter Applaus eine Wette an. Der kritische Verstand verschafft sich dann aber doch Gehör und man fragt sich als Zuhörer, ob die Antwort auf die Herausforderungen nicht etwas unterkomplex ausfällt. So wie die Wucht von Grupps Charisma und seiner Persönlichkeit die weiteren Programmpunkte des Abends in den Hintergrund drückt, so hat seine Wirkung und seine Öffentlichkeitsarbeit Trigema gegen den Trend in Deutschland gehalten, während die meisten Texilunternehmen abgewandert oder eingegangen sind. Für die Grupp lautet die Lösung, das man besser und innovativer sein muss. Auch hier hat er natürlich Recht, aber inwiefern kann das Erfolgskonzept in der Trigema-Nische als Antwort auf die gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen dienen?

Andere Jobs wandern ab

Im zweiten Schritt folgt daraus, dass die Massenprodukte, die einfachen Arbeitsplätze, die "schmutzigen Produktionen", abwandern. Die Textilindustrie hat seit den 1980er-Jahren in Deutschland 450.000 Jobs verloren.

Grupp erhält viel Applaus - auch von Ralf Baier, Friseurmeister aus Freinsheim. "Ich könnte ihm stundenlang zuhören", zeigt er sich wie viele Teilnehmer begeistert. "Besonders einen Spruch habe ich mir aufgeschrieben: Wer Berater braucht, gibt zu, dass er keine Ahnung hat", zitiert Baier den Trigema-Chef. Innovation und Konzentration auf die Kernkompetenz statt Wachstum seien auch für ihn entscheidende Werte, pflichtet er Grupp bei. Zu seinen Energiekosten hat er aber doch einen Energieberater befragt, so dass man der kategorischen Aussage über Berater auch bei ihm etwas die Spitze abbrechen muss.