Speyer, 30.11.2023. Er kennt die Mächtigen der Welt allesamt persönlich: Staatsoberhäupter, Minister, führende Vertreter aus der Wirtschaft – sie sind das Publikum der Münchner Sicherheitskonferenz, der er seit dem vergangenen Jahr vorsteht. An diesem Dienstag war der deutsche Diplomat Dr. Christoph Heusgen zu Gast beim diesjährigen Wirtschaftsforum der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz. In der Speyerer Stadthalle fand Heusgen dabei vor rund 500 Besuchern klare Worte zu den gegenwärtigen Konflikten und der künftigen Rolle Deutschlands in der Welt.
Wirtschaftsforum 2023
„Deutschland muss jetzt Verantwortung übernehmen“
Top-Diplomat Dr. Christoph Heusgen zu Gast beim Wirtschaftsforum der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz
Beim Wirtschaftsforum der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz spricht jeweils ein prominenter Gastredner zu einem aktuell relevanten Thema. In den vergangenen Jahren haben bereits u. a. Bundespräsident a. D. Christian Wulff (2017) sowie im vergangenen Jahr Tagesthemen-„Anchorman“ Ingo Zamperoni beim Wirtschaftsforum gesprochen. Mit Christoph Heusgen, langjähriger außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie bis Juni 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, war an diesem Dienstag ein weiterer hochkarätiger Redner in der Stadthalle Speyer zu Gast.
In seiner Begrüßung wies Till Meßmer, Vorstandssprecher der Vereinigten VR Bank, auf die unmittelbaren Auswirkungen der politischen Krisen dieser Welt auf die regionalen Unternehmen vor Ort hin: "Viele unserer Kunden entwickeln und produzieren Waren, die sie weltweit vertreiben“, so Meßmer. „Viele unserer Kunden beziehen Rohstoffe und Waren aus allen Teilen der Welt, um diese weiter zu verarbeiten. Und alle unsere Unternehmen unterliegen den Rahmenbedingungen, die nicht nur durch den Standort definiert sind, sondern auch durch die weltweiten Geschehnisse, Trends und Verhältnisse.“
Zu einigen dieser weltweiten Geschehnisse, Trends und Verhältnisse lieferte Christoph Heusgen in seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion mit Moderatorin Bernadette Schoog eine Einordnung. Dass erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein europäisches Land, das zugleich ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist, das Existenzrecht eines anderen europäischen Staates verneine, sei genauso ein Zivilisationsbruch wie der brutale Angriff der Hamas auf Israel. Zur künftigen Rolle Deutschlands auf dem internationalen Parkett fand der Diplomat klare Worte: „Deutschland muss jetzt Führung und Verantwortung übernehmen. Und Verantwortung übernehmen kann nicht heißen, immer nur als Letzter das Nötigste zu tun.“ Im Hinblick auf den Russland-Ukraine-Krieg betonte Heusgen: „Wladimir Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Wir müssen deshalb die Ukraine weiter massiv unterstützen – dies nicht nur für die dort lebenden Menschen, die sich in einer Demokratie frei entwickeln wollen und sich dabei in Richtung Europa orientieren, sondern auch für unsere eigene Freiheit und Sicherheit.“
„Wir müssen wieder lernen, als Gemeinschaft mehr zusammenzuhalten“
Was in der öffentlichen Debatte zu den gegenwärtigen Krisen derzeit häufig fehle, sei die Fähigkeit zum Dialog, zur Differenzierung und zur Wahrnehmung von Zwischentönen. „In den vergangenen Jahren hat die Polarisierung – befeuert nicht zuletzt durch die sozialen Medien – deutlich zugenommen. Die Menschen reden heute mehr denn je aneinander vorbei“, so Heusgen. „Wir müssen wieder lernen, als Gemeinschaft mehr zusammenzuhalten und beispielsweise im Freundeskreis mehr Toleranz aufbringen für unterschiedliche Auffassungen.“
Die Länder des globalen Südens in den Blick nehmen
Für die deutsche Wirtschaft komme es in der veränderten Weltlage vor allem darauf an, sich international breiter aufzustellen, um insbesondere im Hinblick auf China Abhängigkeiten zu vermeiden: „Im Falle von Russland und Nord Stream 2 haben wir einen Fehler gemacht, der sich bei China nicht wiederholen darf“, so Heusgen. Vor diesem Hintergrund seien alle Beteiligten – von Unternehmen über Handelskammern bis zur Entwicklungshilfe – gefordert, die Länder des globalen Südens stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Eine solche Diversifizierung sei nicht nur im Interesse Deutschlands – auch viele Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika wünschten sich von Deutschland ein größeres Engagement. So habe etwa einmal der Botschafter eines kleinen westafrikanischen Landes mit Blick auf China zu Heusgen gesagt: „Christoph, help me get the big gorilla of my back.“