Wirtschaftsforum 2024

Joachim Gauck zu Gast beim Wirtschaftsforum der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz

Standing Ovations für den Bundespräsidenten a. D. im Congressforum Frankenthal – Eintrag ins Goldene Buch der Stadt

Frankenthal, 27.11.2024. „Demokratie unter Druck“: Unter diesem Titel warf Joachim Gauck beim Wirtschaftsforum zum 160-jährigen Jubiläum der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz an diesem Dienstag einen Blick auf die aktuelle Bedrohung der demokratischen Ordnung von außen und innen. Das beliebte Veranstaltungsformat der Vereinigten VR Bank, welches wechselweise in Speyer und Frankenthal stattfindet und bei dem jeweils ein prominenter Gastredner zu einem aktuell relevanten Thema spricht, stieß beim Publikum auch in diesem Jahr auf großes Interesse: Mit rund 650 Besuchern war der große Saal des Congressforums Frankenthal voll besetzt. Zuvor hatte sich Gauck im Beisein von Oberbürgermeister Dr. Nicolas Meyer und weiteren Vertretern der Stadt Frankenthal sowie des Vorstands der Vereinigten VR Bank in das Goldene Buch der Stadt eingetragen.

v.l.n.r. Bernd Leidig (Beigeordneter der Stadt FT), Achim Seiler, OB Dr. Nicolas Meyer, Joachim Gauck, Till Meßmer, Thomas Sold, Bernd Knöppel (Bürgermeister der Stadt FT)

In seiner Begrüßungsrede wies Till Meßmer, Vorstandssprecher der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz, auf die enge Verbindung zwischen dem Genossenschaftsgedanken und demokratischen Prinzipien hin. „Die genossenschaftliche Idee ist zutiefst demokratisch“, so Meßmer. „So gilt beispielsweise bei den Vertreterversammlungen unseres Hauses das Prinzip ‚Ein Kopf – eine Stimme‘. Freiheit und Selbstverantwortung bilden die DNA unseres Finanzinstituts.“

Warum in Deutschland diese demokratischen Grundprinzipien derzeit jedoch von außen und innen unter Druck geraten und was angesichts der aktuellen Entwicklungen zu tun ist, war das Thema des Vortrags von Joachim Gauck und der anschließenden Diskussion mit Moderatorin Bernadette Schoog. Als Pastor in Mecklenburg, als wichtige Stimme des Widerstandes gegen die SED-Diktatur, als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen und als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland von 2012 bis 2017 hat Joachim Gauck immer wieder Stellung bezogen zu wichtigen Fragen der Zeit. Auch heute, mit 84 Jahren, mischt sich Gauck weiterhin in politische Debatten ein und sagt über sich selbst: „Ich bin nach wie vor ein öffentliches Wesen“.

Das Recht des Stärkeren an die Stelle der Stärke des Rechts gesetzt

In seinem kenntnisreichen und unterhaltsamen Vortrag widmete sich Gauck der aktuellen Bedrohung der liberalen Demokratie durch Putins Russland. Als ehemaliger KGB-Offizier sei Putin geprägt durch ein Machtsystem, das die Würde des Einzelnen missachte und das Recht des Stärkeren an die Stelle der Stärke des Rechts setze. „Mit einem aggressiven Nationalismus will Putin ein altes Modell von Herrschaft wiederbeleben: ‘Ich tue es, weil ich es kann‘“, so Gauck. „Wir Deutschen haben gelernt, wohin das führt: In den tiefsten Keller – moralisch, wirtschaftlich, politisch.“

Klare Worte fand Gauck auch zur deutschen Russlandpolitik in den vergangenen Jahren und den Versuchen, Putin zu „verstehen“. Die Wahrnehmung Putins in Teilen der deutschen Bevölkerung sei von einer romantischen Verklärung geprägt, wobei Putin häufig als „Mischung von Tolstoi und Gorbatschow“ betrachtet werde, so Gauck. Der Altbundespräsident mahnte eine stärkere Entschlossenheit Deutschlands in der Unterstützung der Ukraine an und wandte sich gegen einen falsch verstandenen Pazifismus. „Es ist wunderbar, dass für uns als Deutsche der Frieden wichtig ist und ich liebe dieses Land für seine Friedfertigkeit – aber Friedfertigkeit kann nicht Dummheit und einen Verzicht auf die Wahrnehmung dessen heißen, was ganz real an Bedrohung da ist.“

„Wir haben uns nicht zu fürchten“

Im Inneren sieht Gauck die Demokratie trotz der aktuellen populistischen Tendenzen nicht akut in Gefahr – die heutige Situation in Deutschland sei mit den Bedingungen in der Weimarer Republik nicht zu vergleichen. „Damals zogen bewaffnete Horden durch die Straßen und die politischen Akteure gingen ganz anders miteinander um“, so Gauck in der Diskussion mit Bernadette Schoog. „Vor allem jedoch haben wir heute mehr Demokraten als damals: Wir als rechtstreue Bürger und Wähler der politischen Mitte sind in der Mehrheit. Wir haben uns nicht zu fürchten und wir schenken denen, die diese Republik verachten, nicht unsere Angst – wo kommen wir denn da hin?“